Die gottesdienstlichen Handlungen (ʿibāda), wie Beten, Fasten, Lesen etc. fallen mir von Zeit zu Zeit sehr schwer. Meine Eltern habe mich und meine Geschwister damals über die Pfingst- und Herbstferien in die Moschee gebracht, damit wir etwas über den Islam lernen. Es war eine schöne Zeit mit Freunden und Geschwistern. Wie betet man? Wie fastet man? Wie rezitiert man den Koran? All diese Fragen wurden beantwortet.
Aber wie bete ich mit voller Hingabe? Wie verlasse ich mich auf Allah? Wie lerne ich Allah, der die gesamte Schöpfung und mich erschaffen hat, zu lieben? Der emotionale Aspekt war für mich immer eine Herausforderung. Morgens zum Gebet aufstehen? Eine Qual. Fasten? Da fielen einem tausend Gründe ein, warum man das Fasten pausieren sollte: Du schreibst eine Prüfung. Es ist zu heiß. Hole es einfach nach. Und es schien immer so, als hätten alle anderen kein Problem mit ihren religiösen Verpflichtungen.
Stimmt mit mir etwas nicht? Soll ich beten, wenn ich überhaupt keine Lust habe? Wird das Gebet überhaupt angenommen, wenn man halbherzig betet? Selbstzweifel.
Es war und ist ein innerer Kampf. Dieser Kampf erstreckt sich über viele Jahre. Die einzelnen Vorträge in den Moscheen oder auf Zoom sind wie Energydrinks: Temporäre emotionale Aufladung bis zum Anschlag. Danach ist man ausgelaugter und steht wieder ganz am Anfang. An meinem inneren Zustand hat sich nichts geändert. Und ich war immer der Meinung, dass die Religion einem leicht fallen muss. Bis ich in einem Unterricht folgenden Satz hörte, der mich aufhorchen ließ:
„Dann befassten wir uns mit der Gotteshingabe und betrachteten ihren Weg von ihren Anfängen bis zu ihren Zielen, die das Erstrebte ihrer Wanderer sind. Gewiss, es ist ein unwegsamer Pfad, eine schwierige Strecke, zahlreich sind die Hindernisse, hart seine Mühe, weit die Entfernungen, schrecklich die Unfälle, häufig seine Sperren und Widerstände, verborgen seine Gefahren und Behinderungen, reichlich seine Feinde und Wegelagerer und selten sind seine Anhänger und Begleiter“
Abū Ḥāmid al-Ghazālī
Pfad der Gottesdiener
Die Gotteshingabe (ʿibāda) ist ein unwegsamer Pfad? Eine schwierige Strecke mit zahlreichen Hindernissen und viel Mühe? Ich war total überrascht. Ja, wir alle kennen die Heldengeschichten von den Gefährten des Propheten Muhammed ﷺ und ja, sicherlich kennen wir auch Menschen in unserem Umfeld, bei denen es so aussieht, als würde ihnen die religiösen Handlungen, wie Beten und Fasten, sehr leicht fallen. Aber der innere Zustand ist keine Einbahnstraße. Es ist kein Knopf, auf den man drückt um, sich mental 100% hingeben zu können. Es ist auch kein permanenter Zustand. Das Herz ist eine sehr wichtige und feine Angelegenheit. Allein die Erkenntnis, dass die religiöse Praxis schwierig sein kann, ließ eine große Last von meinen Schultern fallen. Ich fühlte mich nicht mehr schlecht. Natürlich ist es schwierig morgens um 5 Uhr seinen Schlaf zu unterbrechen, um zum Gebet aufzustehen. Natürlich ist es im Hochsommer anstrengend, auf Essen und Trinken zu verzichten. Das ist normal, das ist menschlich.
Inzwischen habe ich es mir angewöhnt, folgende ehrliche Worte und Bittgebet (duʿa) auszusprechen, wenn mich die Faulheit packt oder ich nicht die Leidenschaft zum Gebet finde: «O Allah, du kennst mich besser als jeder anderer. Ich stehe vor dir, Allah, weil du mich gerufen hast. Ja, ich habe meine Fehler und meine Mängel, und es fällt mir sehr schwer, aber ich bin da. O Allah, Du allein bist es, der die Herzen beherrscht! Lass mein Herz standhaft in Deiner Religion beharren.»
Es spielt keine Rolle, ob ich in dem Moment traurig bin oder glücklich bin. Ob ich Schmerzen habe oder nicht. Ob ich Lust habe oder nicht. Unabhängig vom inneren Zustand: Allah hat mich gerufen und ich werde da sein – inşallah.